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WM-Boykott wegen Katar? Ein Gedankenspiel.

Die Verweigerung und Ächtung sozialer, wirtschaftlicher und politischer Beziehungen durch Abstinenz. Seit einigen Jahren kursieren in der Gesellschaft immer wieder Gedanken bezüglich eines solchen Boykotts von, beispielsweise, Weltmeisterschaften. Das Vertrauen der Fans gegenüber den großen Fußballverbänden wie die FIFA schwindet. Schuld sind Korruptionsskandale und Profitgier, die den Fokus vom großen Ganzen aufs kleine Ego haben richten lassen. Während Einzelne im Nebel der Scheinheiligkeit ihre Geldscheine zählen, entfernen sie sich immer mehr von der Basis. Diskurse bleiben auf der Strecke. Die Elite diktiert.
 
Die WM 2022 in Katar rückt immer näher. Machte man einst noch Witze darüber, das Public Viewing im Winter bei Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt zu veranstalten, wächst mittlerweile die Erkenntnis, dass uns kommendes Jahr wirklich unser Turnier im Sommer genommen wird. So, wie wir es kennen und lieben gelernt haben. Und schnell kam der Verdacht auf, dass ein Bruch mit dieser Tradition finanzwirtschaftlich motiviert sein kann. Belegen kann das niemand. Noch nicht.
Nun stellte ich mir selbst einmal die Frage: Würdest du die WM in Katar boykottieren, im TV nicht anschauen, keine Berichte darüber schreiben, nichts posten? Ich habe Antworten gefunden. Nur festlegen konnte ich mich noch nicht.
 
Auslöser dieser Frage war die Nachricht, dass mittlerweile 6500 Arbeiter während der Bauarbeiten an den Stadien für das Turnier in Katar gestorben sind. Und mein erster Gedanke war: Die dürfen doch nicht umsonst gestorben sein. Sie müssen irgendwie ein Mahnmal sein. Ein Symbol für den Umbruch. Fakt ist, dass ich die Umstände vor Ort unterstütze, wenn ich das Fernsehgerät einschalte. So, wie ich mit meinem Smartphone auch die Kinderarbeit in Kobaltminen unterstütze. Der Gedanke daran ist furchtbar. Und dennoch bin ich ein Teil dieses Systems. Das war auch der Grund, warum ich für mein Unternehmen entschied, ökologisch und sozial verantwortliche Produkte zu verkaufen. So gut es eben geht. Also ein Teil der Veränderung zu sein.
 
Doch ich denke auch an die ganzen kleinen Kinder, die sich schon so sehr auf die WM freuen. Ich denke an Luca Waldschmidt und Nadiem Amiri, die seit kleinauf für diesen Traum gelebt haben, auf den Bolzplatz gegangen sind. Um einmal für Deutschland eine Weltmeisterschaft zu spielen. Und jetzt stehen sie kurz davor. Ich mag diese Jungs und gönne es ihnen so vom Herzen. Und nun spiele ich mit dem Gedanken, ihnen den Rücken zuzukehren. Sie alleine zu lassen. Nicht hinter ihnen zu stehen. Für einen Zustand, der nicht in ihrer Verantwortung liegt. Bei einem Turnier, das sie auch im menschenfreundlichen Europa spielen könnten. In den USA, in Japan. In der Demokratie. Die große Frage ist doch, wer den Anfang macht? Wann schauen wir weg und wann fangen wir an. Etwas zu ändern. Natürlich dürfen wir als eines der hochentwickeltsten Länder nicht den Anspruch haben, dass alle unsere Standards leben. Das ist, wie Karl-Heinz Rummenigge im ZDF-Sportstudio jüngst schon sagte, ein Prozess. Kulturen entwickeln sich. Die kann man nicht per Knopfdruck ändern. Doch man kann die Rahmenbedingungen vorgeben, in denen sie sich entfalten können. Und jeder einzelne von uns, jeder Verein, jedes Land, jeder Funktionär besitzt die Freiheit, sich zu verweigern. Auch auf Kosten des Profits. Die letzten Jahre haben eindeutig gezeigt, dass die Welt nur gemeinsam eine Zukunft hat. Durch mehr Solidarität und weniger Ego.
 
Ich freue mich auf eure Gedanken zu diesem Thema und kann bis kurz vor dem Start der WM ja noch einige Argumente sammeln, die mich am Ende zu einer Entscheidung bringen werden. Ob ich den TV einschalte oder eben nicht.
 
 
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